Die Dichtung brennt
Zum Tod des grossen slowenischen Lyrikers Dane Zajc
Kurz vor seinem 76. Geburtstag ist in Ljubljana der bedeutendste slowenische
Gegenwartslyriker Dane Zajc einem Krebsleiden erlegen. Zajc war unbestrittenes
Vorbild für jüngere Dichterkollegen und wirkte vor allem in den letzten
Jahren weit über die Landesgrenzen hinaus. Auf deutsch erschien 2003 bei
Klett-Cotta ein umfangreicher Auswahlband („Hinter den Übergängen.
Gedichte und Stimmen“), der in der subtilen Nachdichtung von Fabjan Hafner
wichtige Facetten seines Oeuvres erschliesst. Zajc debütierte mit dem Band
„Versengtes Gras“ (1958), dem „Eine Zunge aus Erde“
(1961), „Die Schlangentöter“ (1968) und ein weiteres Dutzend
Gedichtsammlungen folgten. Insbesondere das Frühwerk ist vom Trauma des
Krieges geprägt: Zajc verlor zwei seiner Brüder im Partisanenkampf,
im selben Jahr 1944 steckten die Nazis den väterlichen Hof in Brand. Metaphernreich
beschwört Zajc Gewalt und Ohnmacht, Feuer und Asche werden zum Signum seines
poetischen Universums. Hinzukommt die Bedrohung des Verstummens: nicht nur jene,
die Hofmannsthals Lord Chandos beklagt, sondern eine virulentere, durch persönliche
Haft und verschiedentliches Publikationsverbot am eigenen Leib erfahrene. Und
so lesen sich Zeilen wie „Dann suchst du deine Zunge. Doch da ist keine
Zunge“ bei Zajc als existenzielle Kernaussage, deren poetologische Implikation
ein ständiges Ringen um Sagbarkeit bedeutet.
In mehreren Gedichten, wohl am konsequentesten im litaneiartigen „Asskalla“,
hat Zajc sich in Richtung Lautmagie bewegt: die anaphorischen Halbsätze
umkreisen immer aufs neue das rätselhafte Wort Asskalla, das - in seine
Silben zerlegt und wiederholt - zu einer eigentlichen Beschwörung gerät.
Zajc’ Poesie weiss auf Schritt und Tritt um das Prekäre: ob sie der
sprachlos-mythischen Tierwelt auf der Spur ist, der Stille, dem Tod, der Farbe
Weiss oder der Liebe. Das Scheitern liegt auf der Hand, doch der Rhythmus pocht,
archaisch und stark wie das Leben selbst. Es gibt bei Zajc diesen (musikalischen)
Grunddrang, der vor allem Denken liegt; überhaupt ist seine Poesie - darin
der von Paul Celan verwandt - keine reflexive, sondern eine ekstatische. Ihre
Intensität verdankt sie ihrer leisen Insistenz. „Finger. Mund. Tschinellen.
Stille. / Stimmen. Kachel. Schnee. Stille.“ Wer Zajc je hat lesen hören,
verbindet mit dieser Insistenz eine Ahnung von Transzendenz.
Ilma Rakusa
NZZ vom 22.10.05