Alles Quatsch - Flüchtige Einwürfe und Auswürfe |
Sich derzeit über Literaturdebatten zu beschweren, die hauptsächlich nicht die Literatur, sondern nur ihren soziologischen Spielrahmen debattieren, kommt anscheinend ziemlich gut. Weils aber zum Glück auch noch Diskussionen gibt, die an den Kern der Sache wollen, schließ ich mich lieber Alexander Graeffs «Plädoyer für eine surreale Prosa und Lyrik» und der Entgegnung von Tobias Roth an. Beide hängen sich gerade ein bisschen am Realismus auf und verzapfen dabei allerhand «Quatsch». Deswegen mein ich das Nachfolgende nachdrücklich ernst, auch wenn ich mit gleichem Ernst und Nachdruck das haargenaue Gegenteil behaupten kann. Das ist auch Realismus. Also:
Selbst wenns die Oma vom Hans Dampf gesagt hat. So ein Statement braucht
keinen «diskursiven Schlägertrupp von verbürgten Kanongrößen»,
den Graeff und Roth mit dem Giacometti-Zitat loslassen. Auf den verzichte
ich, der ist auch Quatsch, weil ich ihn immer aus seinem ursprünglichen
Einsatzgebiet abziehen und in der Fremde in Stellung bringen muss. Zum
Schluss weiß er vielleicht gar nicht mehr, auf was er einschlagen
soll oder ob er überhaupt die richtigen Mittel hat, um gewaltige
Argumente zu liefern. Der Arme.
Zumindest als Opposition zu Realismus. Alles ist offen, auch der Realismus, solange uns nicht sämtliche Kausalitäten oder eben auch unumstössliche Fakten bekannt sind. Eine nicht-offene Literatur wäre diktatorischer Horror für unsere fiktionalen Lesegewohnheiten, die unseren anarchischen oder zumindest subjektiven Vorstellungen Raum geben. Wenn aber Offenheit als Kriterium gelten soll, wäre es ziemlich mühsam verschiedene Offenheitsgrade zu messen. Die Abstufungen hätten mir zu wenig haltbare Indikatoren. Aber wenigstens hat Offenheit als Opposition gegen Realismus nicht dasselbe Problem wie der Surrealismus: Er baut auf den Realien auf oder setzt sich zu denen in Bezug, sodass er nie den Realismus verlässt, weil er ihn als Folie benutzt.
Sogar der allergrößte. Ein Experiment ist und bleibt eine
Methode zur empirischen Beweisführung, die auf einem vor der
Durchführung festgelegten Design basiert, das selbst die kleinsten
beeinflussenden Faktoren ausschaltet und seine Variablen bis ins Kleinste
durchdefiniert. Diese Methoden sind für mich nicht vergleichbar
nicht einmal metaphorisch vergleichbar mit literarischen Methoden
und überhaupt: Was sollte die Literatur denn beweisen? Ein Beweis
ist eine Vernichtung von Möglichkeit bzw. die Festlegung auf eine
einzig gültige. Und eigentlich widerstrebt das der Literatur, die
Möglichkeiten eröffnet. Kein Wunder also, dass diejenigen, die
zuletzt Experimente innerhalb der Literatur annähernd sauber hingekriegt
haben, hauptsächlich mit restriktiven Methoden gearbeitet haben
Oulipo. Die einzigen, die mir sonst auf die Schnelle einfallen, sind die
Konkreten und das ist ja auch eine (visuelle) Beschränkung der Literatur.
Das ist klar. Wie « vor dem Spiel ist nach dem Spiel » gilt hier auch: Avantgarde ist Aprèsgarde ein Begriff wie modern oder Moderne, der sich stets selbst überholt. So wird die allgemeine Verwendung des Begriffes Quatsch, solange nicht der konkrete Zeitpunkt oder seine konkrete Realisation zu dieser Zeit genannt wird oder benannt werden kann.
Und der liegt im Begriff selbst: Kunstwille führt nicht zwangsweise zu Kunst, sondern primär zu etwas, das Kunst sein will. Wenn Roth schreibt « so sehr ich nun auch zweifle ( ), verlange ich doch, dass die Kunst sich als Kunst markiert und ausstellt », dann ist das für mich der Inbegriff von Kunstwille. Eine Kunst, die Marker braucht, damit auch jeder Depp schnallt, dass es Kunst ist. Ganz peinlich. Schon aus einer kindlichen Trotzreaktion heraus schlag ich dem eingeschriebenen Postulat ICH BIN KUNST seine Anerkennung aus.
und keine Lösung, ich weiss. Aber ich will ja auch keine
autoritativen Forderungen stellen (implizit lassen sie sich ohnehin nicht
vermeiden). Deswegen steht das erst einmal in all seiner Offenheit (!),
Diskrepanz und Kürze da. |
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