schlagzeile: hilfe mein gesicht leuchtet im dunklen

Daniel Falb ist vielleicht einer der jüngsten (Jahrgang 1977) publizierten Lyriker der letzten Zeit. Seine Gedichte sind jetzt in dem neuen, ebenfalls jungen Berliner kook-books-Verlag erschienen. Bei Falb findet sich so einiges, was zum modischen Sound der letzten Jahre gehörte: ein aufgebrochener, aber nicht zerstörter erzählerischer Gestus, eine coole Laxheit, eine Mischung aus wissenschaftlichen Termini und Alltagssprache, ein ironisiertes Pathos, dann wieder sachliches Sprechen — und am Ende herrscht immer eine Art aufgeklärter Ratlosigkeit. Was den Berliner Lyriker allerdings aus dem Gros der Dichtenden heraushebt ist seine hartnäckige und außergewöhnlich eigene Lakonie. Der Autor hat sein Thema, scheint‘s, schon gefunden. Immer wieder spielt er die soziologisch-biologische Determiniertheit des Individuums gegen erlösungsheischende Sinnsuche („die sog. letzten fragen“) aus.
Viel Profanes finden wir hier thematisiert: Wahlkabinen, Erotik, wasserstoffblonde Augen, Parkplätze, Putzkommandos, Nutzwälder, Affen, Sozialarbeiterinnen, Staus, Videos, Zeitraffer, Bikinis, ebenso wie „die sonne rechts oben“, „intime situationen“, „krankheiten“, Zärtlichkeiten und Kindheitsprägungen. Manchmal sind Falbs Gedichte dabei seltsam diffus, gewollt fragmentiert. Dort aber, wo sich die Gedichte zu einem eindringlichen Bild verdichten und dabei in ihrer reduzierten Art mehr zu sagen scheinen indem sie sich zurücknehmen – werden sie sehr stark: „die sog. letzten fragen stehen als rauch über dem schornstein/ einer modelleisenbahn./ der miniaturwärter fuchtelt gereizt mit den armen,/ warum ist nicht ganz klar. du bist echt mundbemalt,/ aber das stört niemanden. oben/ fummelt ein adoleszentes geburtstagskind am trafo herum./ vor der kleinen kirche mit diodenbeleuchtung steht dann/ viel später ein hochzeitspaar und bewegt sich nicht."
Hinter Falbs Themen steckt eine altbekannte Auseinandersetzung: Der Mensch im Zeitalter des wissenschaftlichen Denkens und der Technik. Mit einem Satz Nietzsches: „Das Leben in die kleinsten Gebilde zurückgedrängt, der Rest arm an Leben.“ Die nüchtern-lapidare Intonation Falbs verbindet sich mit einer aufzählenden Präzision, die es vermag, eine dem Leben im globalen Kapitalismus abgeschaute Willkürlichkeit zu imitieren. Die Traurigkeit, die daraus aufzusteigt, ist die einer zerstückelten Welt. Die allseits diagnostizierte gesellschaftliche Verdummungs- und Kitschbereitschaft im rationalen Gewand schlägt sich auch auf die poetische Sprache nieder, die fragmentarisiert und dabei aber karnevalesk überdehnt wird. Trotzdem bleibt sie spröde.
Diese Sprödigkeit täuscht, – man meint, es mit Sachlichkeit zu tun zu haben. In der Tat aber hängt Falb, zum Glück, an den alten Rockschößen symbiotischer Träume, wenn sie auch als gesellschaftliche Produktion von Gefühlen enttarnt werden sollen (was an René Polleschs Theaterstücke erinnert). Falbs Sachlichkeit ist aufgeladen, – aufgeladen, weil ihr ein unterdrückter, angezweifelter, für unmöglich oder lächerlich gehaltener Pathos unterlegt ist. Dem „Sozoologen“ Falb kommt dabei seine coole Haltung zugute, die das Sentiment scheut. Was doch an Phantasien und Wünschen in seine Versatzstückwelten dringt, sind Fundstücke von den Halden postmoderner Psychen und Fehlsozialisationen:
„... beamte in der korruption,/ daß im gegenteil eine ideale kindheit zu veranschlagen ist und koolhaas/ in freier natur. schlagzeile: hilfe mein gesicht leuchtet im dunkeln. oder/ neugründungen, bis der letzte arzt nurmehr zu zärtlicher selbstbehandlung/ überläuft, die im äußersten sonnenuntergang unbehandelbaren zellen.“

Hendrik Jackson

Daniel Falb – die räumung dieser parks, Mit einem Nachwort von Gerhard Falkner, kook-books, Berlin 2003