"Neue Rundschau" auf Petrarca
Im siebenhundertsten Jahr der Geburt von Petrarca wird allerorten reminsziert
und gedacht. Jenseits der Biographien und allgemeinen Ehrungen hat sich die Neue
Rundschau des Themas angenommen und Dichter eingeladen, dazu zu schreiben.
Eingeladen wurden die üblichen Lyrikspezialisten für solche Fälle.
Es ist seltsam, dies als Randbemerkung, wenn Kanonisierungen scheinbar schon zu
Lebzeiten stattfinden. Man weiß dann manchmal gar nicht mehr, was man nicht
bereits alles mitliest an Urteilen, zumal, wenn die Autoren oft beginnen, sich
vor allem selbst zu kopieren.
Doch kann, das beweist das Heft zum Teil, es klug sein, auf Bewährtes zu
setzen (die jüngste Autorin, Anja Utler, darf man übrigens wohl umstandslos
und formal gesehen jener Bewährtheit zurechnen). Witzigerweise garnieren
die eingespielte Riege diesmal schlichte Dichter wie Robert Gernhardt und Dirk
von Petersdorff. Den Auftakt aber gibt die bewährte (Wien-Köln-Berlin)
Avantgarde-Achse Friederike Mayröcker, Thomas Kling und Oskar Pastior. Danach
wird das poetische Erdreich etwas aufgelockert.
Karlheinz Stierle darf nicht fehlen als Petrarca-Biograph und wird durchgängig
von den Autoren des Heftes erwähnt ob seiner Leistung.
Werner Hamacher läßt es sich nicht nehmen, petrarkisch zu kalauern:
“Laute Leiche, Viola Weiche” oder “L’aura paura”
– Ja ja die Laura hatte Aura (selbst F. Mayröcker unterläuft diese
Anspielung): da wird einem Angst und bange.
Michael Donhauser kürzt eine Petrarcaübersetzung von Bettina Jacobson
auf stimmungsvolle Kurzverse zusammen. Das Verfahren erinnert ein wenig an die
dreizeiligen Filmbeschreibungen bei Festivals, die ob ihrer melancholischen Kargheit
und Offenheit zuweilen seltsame Erwartungen wecken, die dann die Filme (hier das
Original) kaum einzuhalten vermögen. Tatsächlich gewinnen Donhausers
Gedichte durch das Fehlen von Ornament und werfen Ballast ab, doch bleiben sie
auch etwas vage und geschichtslos – geraten zuweilen sogar in die Nähe
von Volksliedern oder poetischen Einfältigkeiten: “Haare im Wind/ lockende
Flut/ Glanz der Augen/ nun so trüb”.
Oswald Egger verbindet in seinem Beitrag poetische Reflexionen mit klingenden
Wortwanderungen durch die Botanik. Letztere (cir. 2/3 des Textes) haben mit Petrarca
aber wohl nur eine (hier fiktive) Bergbesteigung gemein. Daß ein Autor,
der sich gern öffentlich ziert, nun nicht zurücksteht, selbst wenn er
kaum Spezifisches beizutragen hat, offenbart vielleicht die Gefahr solcher Themenhefte:
Dabei sein ist nicht alles. Dort, wo sich Egger tatsächlich mit Petrarca
(und Pastiors Petrarcalektüre) auseinandersetzt, würden seine äußerst
einfalls- und beziehungsreichen Wortfelder gewinnen, wenn sich die Reflexionen
unakzentuierter in die Poesie einfügten – statt Reden über uneitle
Wahrheit nur zu zitieren.
Bei soviel Petrarca-Petrarca quittiert Robert Gernhardt gleich den Dienst, ungeküßt
von den Musen. Das nimmt sich in so einem gewichtigen Kontext dann auf einmal
überraschend ehrlich und frei aus.
Eine gewohnt skurille Mischung aus geschichtlicher Rekapitulation in verfremdeten
Begriffen, albernerer Reimerei und präziser Ironisierung von Phrasen, Einsichten
und Bildern zum Thema liefert Ulf Stolterfoht, einer der unterhaltsamsten Beiträge.
Manchmal mag man vielleicht nicht mehr ganz mitgehen, wenn sich zum Beispiel “an
der Wumme lutschen” auf flutschen reimen muß. Egal, hier schimmert
hinter höchst akademisch zugetürmtem Wust ein durchtriebener Humor auf,
der erquicklich genannt werden darf.
Was sonst noch an Petrarca-starkem Tobak sich hier einschnupfen läßt,
mag der Leser selbst erkunden, das Heft sei mit diesen verstreuten Hinweisen zur
weitergehenden Lektüre empfohlen.
Arndt Stofeuer
"Neue Rundschau", Heft 2 (115), Frankfurt am Main 2004