DER GESCHENKTE TAG

Entdeckungen und Wiederentdeckungen
(D.A. Powell, Tran/Weber, Jahrbuch 2009, Laute Verse)


Irgendwann möchte man die Bücher ja abarbeiten, die einem zugeschickt werden. Unbezahlt, oft unaufgefordert - aber, dies der Wunsch aller, nicht umsonst!
Mit der Zeit schleicht sich ein schnelleres, verächtlicheres Lesen ein. Wieder ein Lyrikband - geschenkt! Ein Tag sollte eingeräumt werden (ohne die vorangegangenen Stunden der Lektüren dazuzurechnen), ein Tag, gewidmet den Schenkungen, die sich stapeln. Ein Tag im Leben eines Autors als Rezensent.

 

d.a. powell - cocktails
[Mittwoch, 8:32 h, vereinzelte Geräusche vom Hof, Sommermorgen]

Spalten wir den Titel nicht in seine Teile. Es geht um eine AIDS-Trilogie. Der Amerikaner d.a. powell wurde mit dieser Lyrik-Trilogie ("Cocktails", "Tea", "Lunch", aus dem späteren "Chronic" wurden noch Gedichte hinzugefügt) bekannt. Thematisch geht es in den Gedichten um Klubleben, Liebe, Cocktails, Schönheit. Dazu eine Menge Anspielungen.
Dass Aids im Mittelpunkt steht, wird deklariert, die Gedichte gehen über das Thema hinaus, das ist diesen extrem langen Zeilen (die amerikanischen Ausgaben wie jetzt auch dieser schöne zweisprachige Band bei luxbooks wurden im Querformat gedruckt) sofort anzumerken.

"our familiy was tolerant of even anti-christs. but gramma had the recessive gen. now a lemon
the size of a lump grows in her bosom: she has the bosom cancer. rock of ages cleft for me"

Nur ein Einstieg. Der Einstiege sind viele. Diese Gedichte scheuen nicht die [wohl hymnisch besungene/ grossartige?/ heftige] Wirklichkeit. Zuweilen nur, was in der Verengung auf das Begehren, in der anamorphotischen Streckung der Lust davon sichtbar wird (die länglichen Lust-Leiber der Jungs)

"now you only regret men unbedded."

Sehr schön die letzte Zeile aus einer Art Ode an den Mond:

"a trap a bones hungry ghost m [∞] n the lightning the ripening berries"

Theater, Film ("priapischer Junge"), Mond, Großmutter, ein Lazaruslied, ein Lied vom letzten Abendmahl ... es fällt etwas schwer, sich in dieser Fülle der Ereignisse zurechtzufinden. Ist dies ein Buch für einen Tag? Wohl kaum.

Sich zurechtfinden? Nein teilzuhaben. Teilzuhaben an der Fülle. Mein Unbehagen immer, wenn Lyrik auf eine Fülle anspielt, wenn sie hinausschießt mit Leuchtfeuern, aber die herabregnende Explosion hat schon stattgefunden (im "Leben"). Immer wieder die Frage: Ab wann (wo?) gewinnt das Gedicht das nötige Eigenleben (und ab wann wiederum gleicht dies Eigenleben schierer Gewandtheit - Gewand um Gewand wird übergestreift, Kostümierung mit fremden Worten, reines Schaulaufen). Die Balance halten.

In diesem Buch gibt es jedenfalls Zeilen mit eigener Leuchtkraft, wie diese, aus dem Lied powells von Johann dem Göttlichen:

"when he comes he is neither sun or shade: a china doll
a perfect orb. when he comes he speaks upon the sea

when he speaks his voice is an island to rest upon. he sings (...)"

Allerlei Ingredenzien. Cocktails. Glückliche Stunde, geschenkter Tag.
Kommt man zur richtigen Zeit, findet man den Mix, der einen leicht berauscht. Findet man den kreisrunden Mond, ein Gesicht, eine Vision. Oder man kommt zu spät und es stehen lauter geile Männer herum, Thekenwölfe der Angst. Oder man geht einfach in das "mausoleum of refusal" (und vermeidet eben noch und doch die unvermeidliche Callas).

 

Jahrbuch der Lyrik 2009
[9:25 h, keine Veränderung auf dem Hof, keine Anrufe, so naht der Tag]

Ich nehme mir den Titel zu Herzen: und lese es mitten im Jahr 2009. Das Jahrbuch, ja ja! So begehrt und verachtet. Und jedes Jahr wieder die Diskussionen um die Auswahl, um den Sinn. Ist man selbst Autor, scheint es sinnlos, sich daran zu beteiligen. Denn nur denen, die drin waren, glaubt man Kritik, nur denen, die nicht drin waren, Lob. Dass man eine Beteiligung einmal gewollt oder abgelehnt hat - wiederum: geschenkt.
Aber in der Mitte des Jahres, wo das Buch fast schon vergessen ist, kann man sich doch nähern! Zumal das Gerücht umgeht, es sei die letzte Ausgabe des Jahrbuchs. Vielleicht fokussiert das den Blick auf die Gedichte. Gedichte aus einem (vorhandenen oder nicht vorhandenen) Werkzusammenhang zu reißen, schien mir früher nicht angebracht. Doch ich muss zugeben, dass mich das Buch diesmal überrascht.

Ich entdecke eine Handvoll Gedichte, die nicht gelesen zu haben ich bedauerte. Liegt das an der Auswahl der Herausgeber? Gibt es Gedichte, die sich besser für Anthologien eignen? Z.B. Herbert Hindringer, sprachsichere Gedichte, die den Wendungen ihre andere Seite ent- und neu anwenden. Es könnte sein, dass über einen ganzen Band hin die Souveränität zum Problem würde, Problem der pointierten Orientierung, die das Terrain begrenzt. Aber das ist Spekulation. Sein Gedicht hier ist gut.
Auch Dagmara Kraus' Gedicht klingt und verspricht mehr. Hingegen hat André Rudolph ja nun einen Band und ich lese seinen szene-internen Klassiker des letzten Jahres ("nach jahren der lohnarbeit/ an der schmetterlingssäge") wieder unter diesem Gesichtspunkt (was das Gedicht freilich kalt lässt).
Es lassen sich auch Autoren entdecken, die man meint, gut zu kennen, z.B. das Gedicht von Monika Rinck über den Bassisten, das, neulich am Trinktisch (aus diesem Band) vorgelesen, zu heftigen Diskussionen führte.

"es trägt eine fußspur uns in den gipfelnden abend. bar alpin!
was für ein glittriger pfad! hingegen der blick des bassisten,
der nichts tut und der - - alles weiß. (...)"

Freude machen können in diesem anthologischen Vers-Cocktail auch plötzlich Gedichte, die unprätentiös sind, nicht viel erzählen, schlicht in der Form: Andreas Münzner z.B. über einen Ausflug, bei dem die freie Liebe in freier Natur wegen Spanner ausbleibt.
Norbert Hummelt hat ein Gedicht über den "deutschen Herbst" geschrieben, bei dem vor allem das Rauschen der Klospülung am Ende des Gedichts im Gedächtnis bleibt ("ich will die ritze zwischen/ uns nicht spüren. dann geht die spülung. es ist erst halb zwei") und das einem melancholischen Abgesang auf deutschen Mythosdunst in Hirschgeweihstuben gleichkommt.
Das Gedicht von Peter Waterhouse wiederum wirkt (zumindest) in solcher Anthologie ziemlich kontingent. Nach und nach liest man auch die durchschnittlichen Gedichte aufmerksamer, deretwegen man dies Jahrbuch nie so recht mochte, weil man sich dann und ich jetzt auch in der Crux befindet: nämlich der Aufzählung und dem Vergleichen, dem Aneinanderreihen und dem vertikalen Schematisieren, dem ranking und wanking.

Immer größere Unruhe ergreift unseren viellesenden Rezensenten nun, Ungeduld, gesteigert bis zum Widerwillen gegen Gedichte überhaupt. Ja fick doch diese Anthologien! Da kann man ja gleich Pferdewetten spielen! Lass die Namen gegeneinander antreten! Irgendwann, schrieb schon der große Wetter und Literat Tandori, ist es, als würden sich allzu große Evidenzen gegenseitig aufheben, als verlören sie ihre Wirkkraft. 10:22 h Ich brauche eine Pause (was für eine miese Quote: 10:22 ...)

 


Laute Verse - Gedichte aus der Gegenwart
[10:53h leicht bewölkt, draußen Bohren und Klapperlaute, im Treppenhaus Schritte]

Hier liegt aber noch eine Anthologie. In der unser Rezensent als Autor überdies vertreten ist. Dennoch habe ich sowohl ein Beleg- als auch zwei Rezensionsexemplare bekommen. Was soll ich nun dazu sagen? Der Titel: Man möchte wohl andeuten (und sagt es im Beiwort), dass Gedichte eine Lautstruktur haben, die leisen kleinen Dinger. Und früher wurde dazu gezupft. So zupft mein Rezensenten-Ich an den Blättern, ein wenig ratlos, so viel vertraute Namen. Natürlich kann man über die Auswahl der Autoren wie immer, vor allem da sich die Anthologie demonstrativ als repräsentativ versteht, streiten. Dennoch wird man nur zwei drei Namen nennen können, die verwundern. Im Gegenteil: Die alten Bekannten (z.B. der verstorbene Thomas Kling oder Durs Grünbein) werfen natürlich die Frage nach anderen "alten" Bekannten auf. Auffällig noch, dass viele frühe Gedichte der Autoren ausgewählt wurden und viele mit einem Akzent auf "Lesbarkeit". Diese Anthologie steht aus anderen aber dadurch heraus, dass sie kleine poetologische Beilagen verteilt: Jeder Autor hat nämlich eine kürzere Anmerkung zu einem seiner Gedichte verfasst. Diese Minipoetiken - durchaus aufmerksam und präzis - sind nicht so prätentiös und angestrengt wie in der Poetiksammlung "Hölderlinameisen" vor ein paar Jahren.

Da viele der Gedichte bekannt sind (mir bekannt scheinen), möchte ich mich auf die poetologischen Beigaben konzentrieren. Die meisten Autoren haben für den Einblick in ihr Schreiben unauffälligere, unbekanntere Gedichte, Lieder - eher die "kleine" Form gewählt. Vielleicht lässt sich daran einfacher Komplexität aufzeigen, vielleicht haben sie aber auch Gedichte gewählt, deren Entstehungsgeschichte ebenso spannend ist wie das Gedicht selbst.

Henning Ahrens gibt ein statement für ein Gedicht ab, das sich aus Erfahrenem speist. Sein Gedicht sieht er als Hymne auf die Lebensfreude. (Und wieder die Frage: braucht Lebensfreude noch eine Hymne?). Das Gedicht soll "Privates" auf eine "allgemeinere Ebene heben", was auch immer damit gemeint sein soll. In seinem Gedicht ist das, wie im Beitext, nicht genau zu erkennen. Marcel Beyer hingegen rekapituliert sehr genau die Entstehung eines Gedichts an die Wespe. Thomas Kling, ein schwedisches Festival, ein Liedauftrag.
Sehr schön sehen wir, wie sich die Taille um ein Bündel von Assoziationen enger schnallt, bis der Autor ein Gedicht zu summen anfängt. Ähnliches bei Nora Bossong, die noch konkreter auf die genaue Stunde, die genauen Umstände, den Ort, die Stimmung, die Jahreszeit zu sprechen kommt - womit wir schon eine Menge von Umständen abgeschritten wären, die ein Gedicht beeinflussen können.
Nico Bleutge spricht dagegen (unerwartet persönlich) vor allem über das nicht sprechen seiner Großmutter kurz vor dem Sterben und über seinen Versuch, dieses nicht sprechen im Gedicht anzuverwandeln.
Auch Ulrike Draesner, Durs Grünbein und Christian Lehnert erzählen interessante Entstehungsgeschichten zu ihren Gedichten. Ich werde allmählich unsicher. Was reizt an diesen (gekonnten) Rekapitulationen?
Ist es die Tatsache, dass das oft komplexe, auslassende Gedicht die assoziativen Leerstellen mit schönen Geschichten anfüllt? Steht also ein Letzte-Seite (gemeint sind die Zeitungsseiten, wo der Klatsch berichtet wird)-Wunsch dahinter? Ist es das banale Bedürfnis nach erzählerischer Struktur, die Freude einflösst? Oder wird durch die Berichte tatsächlich etwas erhellt? Umstände, Zeitläuften, Biographien: Einfluss auf Sprachfindung.
Zumindest werden dunkle Stellen ausgeleuchtet. Das sagt natürlich etwas über das Gedicht. Aber zum Nutzen des Gedichts? Vielleicht ist es eine Falle, eine Ergebung vor der Eingebung, alles, was zum Fall gemacht wird (zu Fall gebracht?).

Ich denke, die Autoren haben bewusst nicht jene Gedichte zur Kommentierung gewählt, die durch allzu viel anekdotische Beigaben eher verlören (unabhängig vom Stil: weder wirklichkeitspralle Gedichte - wie z.B. "hammam" von Ulrike Draesner - noch auch die meisten der auf die Sprachbewegung fokussierten Gedichte - z.B. Anja Utler - brauchen einen Beitext). Die Gedichte, die die Autoren aber gewählt haben, gewinnen meist durch den Text. Spricht diese Erkenntnis nun gegen die ausgewählten Gedichte oder für Kommentare zu Gedichten? Letzteres wäre ja durchaus eine Perspektive. Elke Erb hat schon vor Jahren in ihrem Band "Kastanienallee" gezeigt, wie viel ein Band durch Kommentare gewinnen kann.

Marion Poschmann (mit kunstgeschichtlichen Ansätzen), Steffen Popp und Daniel Falb (mit Emily Dickinson) machen es tendenziell anders. Sie kommen nicht von der Entstehung, sondern gehen eher in die Deutung, reichern das Gedicht mit weiteren Kontexten, Ausdeutungen oder Zitaten an.
Mir gefällt das, so finden wir in diesen Poetiken sowohl ein vor dem Gedicht, ein im Gedicht (oder drumherum) und sogar ein nach dem Gedicht (z.B. Monika Rinck, wo über den weiteren Verlauf, die weiteren Umarbeitungen des Gedichts durch (eigene) Reaktionen auf die ursprünglichen Fassungen beschrieben werden. Oder Jan Wagner, der von dem Verschwinden seines Gedichtes berichtet u.a.).

Allen Autoren ist klar, was Volker Sielaff denn auch offen ausspricht, dass ein Gedicht mit (schulmäßigen) Erklärung zu traktieren sinnlos ist. Auf der anderen Seite gehören all diese Geschichten und Kontexte, die schönen Beobachtungen und Umräume, die zeitlichen Verlaufsspuren und Folgezeitigungen genau so zum Gedicht, sind sein Bestandteil, zumindest dann, wenn sie erklärtermaßen in die Welt gesetzt wurden.

Womit ich mich in die Pause entlassen will. [12:33h die Sonne bricht durch, Vöglein singen, Maschinen brummen]

Nachtrag: Es schleicht sich nämlich eine dem Werk und der Ruhe des Gedichts gar nicht zuträgliche Lesehektik ein. Alles durchblättern! Lesen! Welche Namen nennen? An einem Tag, was eine Hybris!
Nach der Pause, in der ich noch einmal das Buch durchgewälzt habe, schmerzt es mich schon, nichts über die alten, wiedergelesenen Gedichte sagen zu können. Da sind, ganz unabhängig von Fragen nach Anthologie und Literatur, wunderbare Begegnungen.
Dinge grundsätzlich wieder aufrollen, Grünbein und Kling, zweifelhaft (schon damals): Kling in Petersburg. Anderes noch einmal loben, weil jede Lektüre die Freude erneuert, z.B. Ulf Stolterfohts Heslach-Poem, nicht mehr wegzudenken. usw. usw.

 

Kubaturen (Philipp Weber) / Fieldings (Thien Tran) - Gedichte
[17.15h Wärme, fast Hitze, draußen beruhigt sich die Lage, die Ruhe vor dem Sturm des 1. Mai]

Diese beiden Bücher eint erst einmal nur der Verlag: Quartheft 10 (Weber) und 11 (Tran) der Bibliothek Belletristik. Philipp Webers Gedichte gedruckt in einer Art Palimpsest. So scheinen die eigenen Gedichte durch. Von der Verständlichkeit und Vertrautheit der Autoren aus Laute Verse zu den Signaturen des jungen Hermetikers. Aber wie angenehm, sich wieder einem ganzen Band zu widmen, nur einen Autor vor Augen zu haben. Einige Fremdwörter, Pathos der kurzen Zeile auch. "Dein Hals liegt in Federn/ von Goldrausch geschmückt". Manches greift etwas zu hoch: Scham, weise, Licht, Krug, Liebe, Thuletränke - "Abhub zu den Räumen", um es mit dem Dichter zu sagen. Nur zu welchen? (Aber da möchte ich ungern stehen bleiben. Das ist hier keine Kritik.)

Es geht eine eigentümliche Konzentration von diesen Gedichten aus, die mir gefällt. Dies probeweise Tasten (nenne ich es lieber) in den engsten, innersten Raum, der zugleich die Welt umspannen möchte, Geburt und Sterben. Da fallen dann seltsame Wörter in diesen Raum. Fallen auf, machen sich breit. "Schummertat/ und Lichtoden" Hart am Versanden, hart am sinnlosen Glühen/Grübeln/Grünen. Ich erspare die Nennung von Namen. Nein, sie gefallen mir, aber sie scheinen vollkommen vergraben in lichtlosem Stollen, so sehr sie auch Erleuchtung beschwören. Aber in diesem Moment, wo draußen die Sonne knallt und alles auf Umwälzung aus ist, die sich schon übermorgen wie erwartet als Farce entpuppt - da geben diese Maulwurfshügel angenehme Kühle, lassen, in ihrer ganzen Unkonkretion, Erde prasseln, Lufterde ("der Lüfte Besitz"), unwirklich.
"Das Leben scheint ein Raum/ in einem Raum/ : unerreichte Enden. Weißes/ Außen."
und: "An den Strombergen/ glitzert dein Geist". Dem folgen Lektüren...

... oder Thien Tran. Womit ich doch wieder bei der Frage nach der Kommentierung wäre. Ein als Gedichtband deklariertes Buch, das lediglich 15 äußerst kurzen Gedichten 46 Seiten Text voranstellt (in der Art einer erzählerischen Poetik), wird wohl diesen Text als den Gedichten zugehörig sich denken. Der Metatext nicht als Nachtrag, sondern als Vorschub leistender Gesell. Reichlich frech, nicht schlecht. Der Vortext tritt dabei sehr redundant auf, energisch und in sich selbst federnd. Er endet mit einem Hinweis auf die Schreibbewegung. Ich überlege, wohin er führt, da erreichen mich diese Zeilen per mail, und zwar "seitens der autorschaft:

"- sprachinteferenzen
- wir könnten sagen: sinnverordnungen, kadenzmäßig. thematisches vs. leere
- bild-postulate, meinetwegen.
- hörbar ist das, was über das bild hinaus geht. transzendenz
- der welt zugewandt ist die interpunktion, die herkunft dieser verordnungen, ihre fähigkeit
welt zu erzeugen. freie bildformen, meinetwegen. die offene form." (Thien Tran)

Was auch ein Vorwort wäre. Dann also die Form kürzester Gedichte. Kurze Gedichte werden gern mit Haikus assoziiert, wenn sie Naturdinge beschwören und fragmentarisch-symbolisch ausfaden. So auch Thien Tran:

"wie verrückt: Regen /
.....bella umbrella. seit Tagen
übernächtigt. Wolken
.....aus Granit"

Dazu wird der Zen aufgerufen. Es sind schöne Beobachtungen in den Gedichten. Am schönsten aber sind die Stellen, wo die Gedichte in Albernheit umschlagen: "in der Herz-/ gegend Magengrube, irgendwann/ nach einhundert ge-/ glückten Sätzen: Glückspilz/ ohne Dach, unglücklich. MERCI/ BUH KUH." Na ja, erheiternd nach einem Lyriktag.
Nimmt man dies als seinen ersten Band, ist es durchaus ein Anfang. Im wörtlichen Sinn. Hier fängt er an, programmatisch und in Fetzen. Wie auch anders? Es leuchtet irgendwie ein, auch ohne Erleuchtung. Mich interessiert, wie er einem Meister, der ihm ein (buddhistisches) "Ho" entgegnen würde, begegnete. Tigerschwanz schlängelt unter dem Drachenkostüm!
Der geht bald über den Parnass und wird selber "Ho" rufen! Einmal "Ho", zweimal "HO" - und dann? Prüfung folgt.

[18:30 h, jetzt reicht es auch. Ist dies ein Protokoll? Ein dürftiges, auch nur ein Anfang, den Rest besorgen unsichtbare Legionen der Zukunft, goldene Horden besserer Zeiten, fanatische Anhänger des lyrischen Worts]

 

Hendrik Jackson